26. April – 02. Mai 2010
Diese Woche gibt es ein bisschen über Jobsuche, Vorstellungsgespräche, Lebensläufe, menschliches Verhalten – und den Gold Coast Gay Day zu berichten. Das nur als kleiner Prolog, damit sich der eine oder die andere nicht langweilt, wenn’s nicht wirklich interessiert.
Die Woche begann wieder mit einem Feiertag, am Sonntag war ANZAC-Day und der Montag war dann Bank Holiday. Die Banken und viele Firmen hatten geschlossen, die “normalen” Geschäfts waren ab mittags geöffnet. Ich verstehe jetzt, was “bank holiday” bedeutet. Diese Aufteilung gibt es in Deutschland nicht, entweder haben alle gewerblichen Betriebe geöffnet, oder sie sind aufgrund eines Feiertages (bis auf Tankstellen und Geschäfte an Bahnhöfen und Flughäfen) geschlossen.
Am Dienstag hatte ich mein erstes Vorstellungsgespräch bei einer Firma in Brisbane, und ich kann berichten, dass es das sonderbarste Vorstellungsgespräch war, was ich jemals bei einer Firma hatte. Ich muss das ohne jegliche Wertung sagen, weil ich eben erst anfange, an der Oberfläche der australischen Arbeitswelt zu kratzen. Der Grundtenor des Gespräches war, dass die Dame der Personalabteilung mit der Form meines Lebenslaufes nicht zufrieden war. Das Gespräch ging wirklich fast hauptsächlich nur um Form und Struktur, nicht jedoch um Inhalt meines Lebenslaufes. Es wurden explizit nicht angesprochen: meine berufliche Qualifikation, meine Ausbildung, die verschiedenen Positionen, die ich in den verschiedenen Firmen hatte, meine persönlichen Stärken oder Schwächen, meine Eignung als Project Manager oder Teamleiter, sowie meine Motivation, meinen Lebensmittelpunkt nach Australien zu verlagern. Es wurde kein Versuch unternommen zu ergründen, ob ich in die Unternehmenskultur passen würde oder nicht. Ich wurde beauftragt, meinen Lebenslauf nach bestimmten Vorgaben umzuschreiben und neu einzureichen. Punkt. Wie gesagt, ich habe diese Prozedur nicht verstanden, habe allerdings für mich beschlossen, dieses Spiel mitzuspielen, einfach weil ich wissen wollte, wie es danach weitergeht. Vielleicht werde ich es in der folgenden Woche erfahren.
Zum Thema Lebenslauf/Resume/CV habe ich folgende Tipps bekommen und möchte diese hier auch weitergeben:
- Es gibt den sogenannten chronologischen und den funktionalen Lebenslauf. Man fragt am besten immer bei der entsprechenden Firma an, bevor man den Lebenslauf verschickt, welche Form bevorzugt wird, ansonsten wird man belehrt (s.o.), wie er anders hätte aussehen sollen.
- Es gibt Firmen, die bevorzugen einen kompakten 2-seitigen Lebenslauf, andere sagen explizit, dass der Lebenslauf auch über 3 oder 4 Seiten gehen kann, man darf also etwas detaillierter oder ausschweifender werden. Auch hier gilt: vorher nachfragen, bevor man den Lebenslauf verschickt!
- Im Lebenslauf werden ausser Namen und Kontaktinformationen (Telefonnummer und eMail-Adresse) keinerlei persönliche Informationen angegeben: Alter, Geschlecht, Familienstand oder gar ein Bild haben in einem australischen (und übrigens auch in einem amerikanischen) Lebenslauf nichts zu suchen! Alles zielt lediglich auf die entsprechende Qualifikation aus.
- Die Formulierungen bzgl. der Tätigkeiten, die man in den verschiedenen Positionen während der individuellen beruflichen Laufbahn ausgeführt hat, müssen immer auf etwas “erreichtes” zielen. Achievements sind alles! Was habe ich wann unter welchen Bedingungen für eine Firma erreicht, und wie lässt sich dieses quantifizieren? Wie groß waren die Projekte (Budget, Teamgröße, Dauer), die ich geleitet habe, wie hoch war der Umsatz, den ich durch meine Mitarbeit für die Firma erwirtschaftet habe, welche Marketingstrategien oder Produkte habe ich eingeführt usw. Alle Tätigkeiten sind entsprechend einer C-A-R-Regel zu formulieren: Challenge, Action, Result! Der potenzielle neue Arbeitgeber möchte wissen, welchen Gewinn er durch die Beschäftigung Deiner Person erreicht. Es ist natürlich alles Show, aber trotzdem muss man auf dem Boden der Tatsachen bleiben. Man kann und sollte nichts behaupten, was man nicht fundiert belegen kann. Das fällt spätestens im Vorstellungsgespräch auf.
- Auch hier in Australien gilt: persönlicher Kontakt ist alles. Um die Eingangsschlange der zu Dutzenden eingehenden Bewerbungen zu umschiffen, sollte man sich den Namen des Empfängers geben lassen und die Bewerbung an diese Person direkt richten, vorher am besten anrufen und mitteilen, dass man sich bewerben möchte. So hat der Empfänger bereits den Namen gehört und kann die später eintreffende Bewerbung sofort zuordnen.
Soviel zu diesem erfahrungsbereichernden Punkt, neues Spiel, neues Glück 🙂
Die Arbeitswoche wurde am Freitag mit einem sehr netten Abendessen beim Griechen im West End beschlossen; Greg lud mich zu diesem Gruppen Event ein, und ich wurde herzlich in der Gruppe aufgenommen. Lauter nette, interessante Menschen, Männer und Frauen, die mit ihrer humorvollen, witzigen und direkten Art zu einem wirklich schönen und entspannten Wochenausklang beigetragen haben.
Das Wochenende selbst war am Samstag ausgefüllt mit Besorgungen und haushaltstechnischen Dingen, am Sonntag gab es dann den Ausflug zum “Gold Coast Gay Day”. Dieses großartig angekündigte und umworbene Event war für mich eine kleine Enttäuschung. Ich hatte einfach ein großes Fest erwartet, und es war eine eher provinzielle Zusammenkunft mit ein paar Informations- und Verkaufsständen und zwei winzig kleinen Bühnen, die eine davon in einer verdunkelten Halle, vor der Bühne standen irgendwelche Tische, die man aufgrund der Dunkelheit aber kaum ausmachen konnte. Auf der anderen Bühne spielte eine lokale Größe, eine Gewinnerin der Australian Idol (oder Talent?) Show mit Band, ich hatte ihren Namen natürlich noch nie gehört und fand die Musik jetzt auch nicht wirklich bemerkenswert. Ich will mich an dieser Stelle nicht gleich in die Nesseln setzen, die Resultate der deutschen Talent- und Casting Shows muss man im Ausland auch nicht unbedingt kennen.
Es gab Kaffee und Kuchen, Hot Dogs und Pommes, diese unvermeidlichen Drag Shows, die man hier über alles liebt (Priscilla lässt grüßen…), und ausreichend Alkohol, so dass mit fortschreitender Zeit am Abend viele Besucher einigermaßen alkoholisiert waren. Das ganze erinnerte mich irgendwie an ein kleines Dorffest. Auch wenn ich mir am Anfang etwas ganz anderes vorgestellt hatte, empfand ich die Atmosphäre doch als angenehm und locker. Die Menschen waren eher bodenständig, freundlich, nicht so modisch-verkrampft wie in München (man trägt hier einfach irgendein T-Shirt, Shorts und Flip-Flops). Vieles erinnert mich an die 80er Jahre (auch, dass man hier sehr gerne Rum-Cola trinkt). Die Rückfahrt aus der “Provinz” in die Stadt per Bus und Bahn dauerte wieder fast zwei Stunden. Ich komme bisher mit öffentlichen Verkehrsmitteln überall hin, es dauert zwar ein bisschen länger, aber ohne Auto funktioniert es auch.
Diese Woche war für mich in gesellschaftlicher und kultureller Hinsicht eine interessante, und ich kann nur mit Carrie Bradshaws Worten schließen: “I couldn’t help but wonder…”
Bis nächste Woche!